Читать книгу Das Tagebuch der Jenna Blue онлайн | страница 27

Stattdessen sage ich: »Ein Geschenk.«

Scarlett wittert die Lüge, das erkenne ich an der Art, wie sie vor mir im Licht ihres Smartphones durchs kniehohe Gras stapft. Ob sie mir zürnt, weil ich dieselben Worte wie sie nutze? Oder glaubt sie, Mutter habe mir ihre Lieblingstasche vermacht? Ich tippe auf Letzteres, nicht grundlos habe ich sie ein Jahrzehnt unter dem Bett versteckt, obwohl Scarlett nicht zum Schnüffeln neigt. In einem alten Krimi las ich, wie Geheimagenten die Türen mithilfe eines Klebestreifens präparierten, sodass sie erkennen konnten, ob jemand während ihrer Abwesenheit die Räumlichkeiten betreten hatte. Ich tat es ihnen gleich und erlangte Gewissheit darüber, dass sich niemand – wirklich niemand – für mich oder mein Reich interessiert. So viel zu unsichtbar. Ich bin es selbst daheim.

Scarlett bleibt mit ihrer Tasche am Gestrüpp hängen. Sie flucht und zerrt. »Steh nicht bloß rum! Hilf mir lieber.«

Der Lichtstrahl des Smartphones zuckt unkontrolliert, sie trägt es an einem Band um den Hals, mit den Händen reißt sie an den Trägern der Tasche.

»Nicht mit Gewalt«, warne ich, da erklingt bereits ein vertrautes Ratschen, gefolgt von einer Stille, die der vor einem Wolkenbruch gefährlich gleicht. Ich taste mich durch die Dunkelheit und befreie die Tasche aus den Brombeerranken. Der blutrote Stoff ist gefurcht, als hätte ein Wolf sie gerissen.

»So ein Jammer«, sagt Scarlett und streckt die Hand aus, »nun brauche ich deine Tasche.«

»Wie bitte?«

»Es ist offensichtlich, dass ich mehr dabeihabe als du, daher ist es nur vernünftig.«

Ich stehe da wie angewurzelt. »Es ist meine Tasche.«

»Gewiss«, sagt sie und klingt dabei schrecklich unbeteiligt, »ich trage sie ja nur heute.«

»Nein.« Ich trete einen Schritt zurück.

Mittlerweile ist die Sonne bloß noch eine violette Ahnung am Horizont, die Luft merklich kühler und die Mauer neben uns nachtschwarz. Ich kann Scarletts Gesichtsausdruck weder erkennen noch deuten. Ich weiß nicht, wie nah ich dem Abgrund bin.

»Nein?«, fragt sie leise. »Du hast da was missverstanden, Jenna. Das war keine Frage, ja, nicht einmal eine Bitte. Ich brauche deine Tasche, denn meine ist kaputt. Du wirst sie mir also geben, betrachte es als Gegenleistung dafür, dass du mein Kleid tragen darfst.«


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