Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 46

Sie dagegen kehrte um sieben Uhr zum Atelier zurück und stieg die fünf Stockwerke hinauf, langsam, um nicht rot zu werden. Sie machte langsam, nahm aber immer zwei Stufen auf einmal. Auch falls Guido nicht da war, dachte sie dabei, war es doch nicht seine Schuld. Aber die Tür stand offen. Guido hörte ihre Schritte und kam ihr auf dem Flur entgegen. Jetzt war Ginia wirklich glücklich.

Sie hätte sich gern mit ihm unterhalten und ihm viele Dinge gesagt, aber Guido schloss die Tür und umarmte sie als Erstes. Durch die Scheiben fiel noch ein wenig Licht, und Ginia verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter. Durch das Hemd spürte sie die Wärme seiner Haut. Sie setzten sich aufs Sofa, und Ginia weinte, ohne zu sprechen.

Weinend dachte sie: »Wenn Guido doch auch weinte«, und fühlte einen glühenden Stich im Herzen, der ihren ganzen Körper schier zum Schmelzen brachte – ihr war, als würde sie ohnmächtig. Aber auf einmal fehlte ihr der Halt; sie merkte, dass Guido sich erhob, und öffnete die Augen. Guido stand vor ihr und betrachtete sie neugierig. Da hörte sie zu weinen auf, denn ihr schien, als weinte sie in der Öffentlichkeit. Unter diesem Blick spürte Ginia, die kaum etwas sah, wie ihr erneut die Tränen in die Augen traten. »He«, sagte Guido wie zum Scherz, »man kommt für so kurze Zeit auf die Welt, da braucht man doch nicht zu weinen.«

»Ich habe geweint, weil ich froh bin«, sagte Ginia leise.

»Dann ist es gut«, erwiderte Guido, »aber sag es das nächste Mal bitte gleich.«

So verging diese halbe Stunde, in der Ginia ihn so viel fragen wollte, nach Amelia, nach ihm, nach seinen Bildern, was er am Abend machte und ob er sie lieb hatte, ohne dass sie den Mut dazu fand. Sie erreichte nur, dass sie hinter den Vorhang gingen, weil ihr bei Licht schien, alle sähen ihnen zu. Hier, während sie sich küssten, sagte Ginia ihm leise, gestern habe er ihr so wehgetan, dass sie hätte schreien mögen, und da wurde Guido zärtlicher, machte ihr Mut und streichelte sie lange und flüsterte ihr ins Ohr: »Du wirst sehen, das geht vorbei. Tu ich dir weh?« Dann, während sie in dem bisschen Wärme lagen und sich aneinanderschmiegten, erklärte er ihr viele Dinge und sagte, auf ein Mädchen wie sie nehme er Rücksicht, da könne sie sicher sein. Daraufhin ergriff Ginia im Dunkeln seine Hand und küsste sie.


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