Читать книгу Das Tagebuch der Jenna Blue онлайн | страница 19


»Du brauchst wohl eine Tasche!« Scarlett zeigt auf das Buch. »Du gehst nirgends hin ohne das da.«

Reflexartig schließe ich den Einband und stecke den Stift in die dafür vorgesehene Schlaufe. »Ich sagte nie, dass ich keine brauche. Ich will nur keine von dir.«

Sie lässt den Kopf in den Nacken sinken. »Wie überaus gewitzt.«

»Ich besitze eine eigene«, füge ich erklärend hinzu.

»Nur keine Rechtfertigung«, sagt sie leichthin, doch ihre Augen wirken kälter als zuvor. Vielleicht liegt es an den Schatten, die bereits nach uns greifen. Der Abend erblüht wie die Stille zwischen uns. Vor langer Zeit saßen wir schon einmal auf dem Dachfirst und sahen der Sonne beim Untergehen zu. Es muss kurz nach Mutters Verschwinden gewesen sein. Damals, bar aller Worte, waren wir auch still gewesen; ich hatte sie für die Flugblätter verbraucht, Scarlett ihre an Anna. In den ersten Nächten war ich noch durch den klammen Flur zu ihnen hinübergetapst. Da mich Anna jedoch unnachgiebig in mein Zimmer zurückbrachte, gab ich es bald auf und lauschte ihnen stattdessen von meinem Bett aus, ein Ohr an die Wand gepresst, die Knie eng umschlungen. Ich weiß nicht, worüber sie sprachen, doch Annas gedämpfte Stimme trug mich in den Schlaf. Sie half mir durch die Dunkelheit.

»Erinnerst du dich an das erste Mal, als wir hier oben saßen?« Scarletts Gedanken haben sie weit tiefer in die Vergangenheit getragen, hinein in eine Zeit, an die ich mich weigere zu denken. »Ich glaube, dass Mutter mich schon als Säugling mitnahm. Wie sie es geliebt hat, auf dem Dach zu sitzen und zum Spukhaus zu blicken – und erst die Geschichten, die sie darüber erzählt hat! Über den Zauberer und seine Sammlung schrecklich schöner Insekten. Erinnerst du dich? Ich war fasziniert davon, dass er sie aufspießte, diese zarten, wehrlosen Geschöpfe, nur um sie auf ewig zu besitzen. All die Motten und Käfer und Falter. Er hat sie getötet und in Glaskästen gesperrt. Tödliche Liebe – wie in dem Märchen. Du weißt, welches ich meine? In dem die Mutter ihre Tochter vergiftet und in einen gläsernen Sarg bettet, um sie für immer zu behalten.«


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