Читать книгу Das Tagebuch der Jenna Blue онлайн | страница 14

Sie zu beobachten, wie sie sich selbst berührt, sie für ihre Unbeschwertheit zu hassen und zugleich um ihre scheinbar grenzenlose Freiheit zu beneiden, lässt mich ihr so nah sein wie nur irgend möglich. Wir teilen ein Geheimnis. Das verleiht mir gewisse Macht über sie. Es macht den Alltag in ihrem Schatten erträglicher. Ich weiß, was sie zur dunkelsten Stunde tut. Ich weiß, wer sie dann ist.


»Ich wusste, dass es dir steht!«

Scarletts Mund lächelt, doch ihre Augen sind so ausdruckslos wie mein Gesicht. Nebeneinander stehen wir vor dem Spiegel, der jede Ballerina vor Neid erblassen ließe. Wie Scarlett es aushält, sich durchgehend selbst zu betrachten – am Schreibtisch, beim Umziehen, im Bett –, ist mir schleierhaft. Ich würde mich beobachtet fühlen.

Vielleicht ist es gerade das, was ihr gefällt.

Vielleicht kann sie nicht mehr ohne.

»Was sagst du dazu?« Sie zupft den Träger auf meiner Schulter mit spitzen Fingern zurecht. Ich weiß nicht, wann wir uns das letzte Mal so nah waren. Ich erinnere mich nicht einmal daran, wie sie sich anfühlt. Der Gedanke, ihre Hand zu halten, sie gar in den Arm zu nehmen, ist so surreal, dass ich unweigerlich einen Schritt zur Seite trete. Scarlett quittiert es mit einer gehobenen Braue.

»Gefällt es dir nicht?«

Nein. »Doch.« Ich betrachte mich im Spiegel.

Ich trage niemals Rot. Es ist Scarletts Farbe. Ihre Schuhe, ihr Haarreifen, ihr Mantel. Ihre Farbe. Selbst in der Schule wagt niemand darauf zurückzugreifen. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz. Rot liegt ihr im Blut. Oder besser noch: im Namen. Mich in diesem Kleid zu sehen, fühlt sich an, als würde ich ihre Haut tragen.

»Vertrau mir«, sagt sie und streift sich das Top über den Kopf. »Es ist perfekt.«

»Was ziehst du an?«

»Ich gehe nackt«, scherzt sie und stellt sich neben mich, als sei es ihr tatsächlich ernst. Das Gefühl, im falschen Körper zu stecken, wird durch den Kontrast der Farben verstärkt: sie lilienbleich, ich blutrot. Als wären wir durch den Spiegel in ein verdrehtes Wunderland gefallen, fragt sich nur, wer den Kopf verliert.


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