Читать книгу Die Rückkehr des Wanderers онлайн | страница 36

Diese Entwicklung, die mit einem enormen Machtgewinn für die Kirche einherging, sollte sich als unumkehrbar erweisen. Derartig tiefgreifende Veränderungen mussten über viele Jahre hinweg in einer Gesellschaft Wurzeln schlagen, um von Dauer zu sein. Ein baldiger Machtwechsel, ein neuer und weniger frommer König, hätte die Lage im Reich unter Umständen wieder verändern können. Die Zeit war jedoch auf der Seite der Kirche. George bekleidete mit knapp einem halben Jahrhundert die längste Regierungszeit in der Reichsgeschichte. Als er schließlich hochbetagt starb, war die Macht der Geistlichen unumkehrbar konsolidiert gewesen.

Heute, etliche Generationen später, gab es in jeder größeren Ortschaft zumindest eine Kapelle. Dort konnte man für die Gesundung von Krankheit und Verletzungen beten und spenden. Immerhin den Jüngern des Lichtbringers war damit geholfen, und mit ein wenig Glück fand man sogar einen Priester, der ein wenig von Heilkunde verstand oder gar dazu fähig war, echte Heilmagie anzuwenden. Es gab durchaus noch Geistliche, die über die Gabe der alten Magie verfügten. Diese gesegneten Brüder fand man allerdings eher in den Städten und Burgen der Reichen und Mächtigen.

In den ländlichen Gebieten war eine Präsenz der Kirche weniger gewinnbringend. Hier war das Leben als Kräuterfrau dieser Tage relativ sicher. Ohne Frage musste man trotzdem eine gewisse Vorsicht walten lassen. Sonst konnte es einem auch in dünn besiedelten Landstrichen passieren, dass man als Hexe auf dem Scheiterhaufen oder an einen Baum genagelt endete. Die Gefahr hierfür war natürlich viel geringer geworden, nachdem vor einigen Jahrzehnten das Grau über die Welt gekommen war.

Wenn man damit beschäftigt war, um das nackte Überleben zu kämpfen, gab es für gewöhnlich wichtigere Dinge zu tun, als alte Frauen an Bäume zu nageln.

Dedra war nicht alt genug, um sich an die Zeiten des religiösen Umbruchs vor zwei Jahrhunderten zu erinnern. Sie gehörte jedoch zu den wenigen Menschen, die noch wussten, wie direkter Sonnenschein aussah und sich anfühlte. Sie hatte eine ganze Weile vor dem Grau gelebt, das vor sechzig Jahren über die Welt gekommen war. Auch wenn diese Erinnerungen zunehmend verschwommen und unzuverlässig wurden. Das Phänomen, das alten Menschen ihre Jugenderinnerungen lebhaft erhalten blieben, während ihr Kurzzeitgedächtnis immer schlechter wurde, traf auf sie nicht zu. Die Vergangenheit schien für sie mit jedem weiteren Winter tiefer in einem Nebel zu verschwinden. Im Gegenzug wurde sie von der Vergesslichkeit verschont, die so viele Alte in den letzten Jahren befiel. Ihr Geist war klar und ihr Gedächtnis so gut wie eh und je. Eine kleine Entschädigung der Götter, die es nicht gab, dafür, dass die Arthritis langsam aber sicher ihre Gelenke auffraß, vermutete Dedra. Sie hatte vor dem Grau lange Zeit als Kräuterfrau gearbeitet, ohne als Hexe behelligt zu werden. Durchaus auch in größeren Städten. Das gelang, damals wie heute, vielen echten Hexen. Verbrannt wurden für gewöhnlich Frauen, die einfach zur falschen Zeit am falschen Ort waren.


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