Читать книгу Das Tagebuch der Jenna Blue онлайн | страница 3

»Fertig?«, fragt sie.

Ein letzter Blick gen Spiegel – es ist, als würde Scarlett zwinkern. Doch das bin nur ich, totenbleich und ohnmächtig vor Zorn.

Es heißt, ältere Geschwister würden Schatten werfen, denen die jüngeren nicht entkommen können. Bei uns ist es andersherum. Es ist Scarletts Existenz, die der meinen ihre Farben raubt. Es ist ihr Licht, das alles andere überstrahlt. Seit es sie gibt, verblasse ich neben ihr – wie die Schlieren im Becken.

Ist Blut dicker als Wasser? Ich sage Nein.


Ich habe gefragt, worüber ich schreiben soll, und du hast gesagt, es sei vollkommen egal; ich könne alles schreiben, eine Geschichte, ein Märchen. Irgendetwas.

Aber wo fange ich an?

Bei uns? Bei Mutter?

Oder damit, dass sie ging?

Ich könnte erzählen, dass ich an guten Tagen in die Stadt fahre, das Rad am Bahnhof abstelle und ziellos durch die Straßen streife, in der stillen Hoffnung, auf sie zu treffen. In einem der Läden. Beim Bäcker, im Café oder dem Buchladen. Manchmal stehe ich minutenlang vor einem Schaufenster und warte, dass sich eine bestimmte Person umdreht, wünschend und fürchtend zugleich, dass sie es ist. Ich wüsste nicht, was ich täte, stünde sie plötzlich vor mir. Was sagt man zu jemandem, der einen verlassen hat? Sagt man Hallo? Oder schlägt man zu?


»Was schreibst du?«

Maria linst über meine Schulter. Das Buch schnappt vor ihrer Nase zu. Beleidigt richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf Scarlett. Die sitzt in der ersten Reihe; ihr Stuhl kippt, als sie sich zu ihrem Freund neigt. Wagt sie sich bewusst weit hinüber? Genießt sie den Kitzel des möglichen Sturzes? Spürt sie, dass nicht nur Marias Blick, sondern der aller auf ihrem Rücken ruht und von dort zu den Beinen des Stuhls und ihren wandert? Ich behaupte, dass es so ist. Dass jede ihrer Bewegungen auf eine Wirkung abzielt. Dieses Klassenzimmer ist ihre Bühne und wir sind ihr Publikum.

Zu gern würde ich aufstehen, nach vorn gehen und ihr den Stuhl wegtreten. Zack, läge sie da. Auf dem Rücken. Die Augen weit, das Haar scharlachrot. Zu gern täte ich es.


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