Читать книгу Das Tagebuch der Jenna Blue онлайн | страница 2

In mir ist vor allem Leere.

Ich bin leer, Anna.

Ich bin so leer, dass es wehtut.


Der Ball hat sein Ziel getroffen. Das Blut rinnt mir aus der Nase in den Mund, ich spucke es aus.

Kopf in den Nacken? Oder nach vorn?

Ich weiß nicht mehr, was richtig ist, stehe bloß da, während das Blut in Spiralen gen Abfluss rinnt. Blut, das genauso gut ihres sein könnte. Es gibt niemanden auf der Welt, der mir so sehr gleicht, wie sie es tut. Von der DNS bis zum Spiegelbild. Ist Blut dicker als Wasser?

»Brauchst du Hilfe?« Maria zwängt sich durch den Türspalt der Mädchentoilette, ein Koloss in zu engen Leggins und zertanzten Schuhen. Wäre das hier ein Märchen, käme ihr die Rolle des Rotkäppchens zu, das dem Wolf freimütig in die dunkelsten Gefilde folgt – selbst ins Schulklo.

»Ist Blut dicker als Wasser?«, frage ich sie.

»Ich versteh kein Wort. Ist die Nase gebrochen?«

Hoffentlich nicht.

»Kopf nach vorn«, sagt sie und reißt einen Batzen Papiertücher aus dem Spender. »Dein Glück, dass die Schule zu geizig für eine Handtuchrolle ist.« Sie dreht den Hahn auf, tränkt das Papier und klatscht den nassen Klumpen in meinen Nacken. »Das sollte helfen.«

Es geht nicht um mich.

Wenn sie so lächelt, könnte ich das fast vergessen. Sie sieht bloß Scarletts ältere Schwester in mir. Selbst ich tue das. Alle tun das. Obwohl der Spiegel gesprungen ist – oder gerade deswegen? –, blickt sie mir überdeutlich entgegen. Das spitze Kinn, die scharf geschnittenen Lippen, zuletzt die Verachtung im Blick. Als hätte Mutter unsere Züge mit dem Meißel geschlagen. Scarlett und ich sind Schwestern, wir entspringen demselben Schoß, doch das heißt nicht, dass wir einander lieben.

Maria kippt das Fenster. Flirrendes Licht fällt hinein, schillert auf den Pfützen und benetzt die stahlgrauen Fliesen, auf denen Generationen von Schülern Hass- und Liebesbotschaften notierten. Scarlett, Scarlett, Scarlett. Sie inspiziert die leeren Kabinen, die Nase gerümpft in Erwartung von Ungeziefer, Ratten oder Monstern. Stattdessen bin da nur ich, das triefende Gesicht übers Waschbecken gebeugt, die Haare klitschnass. Der Hahn tropft. Warum ich sie noch an meiner Seite dulde, weiß ich selbst nicht genau. Sie erwartet keine Zuneigung, keine Antworten. Nur Infos über Scarlett.


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