Читать книгу Das Tagebuch der Jenna Blue онлайн | страница 11

Ich traue ihr nicht.

Wieso tust du es?


Papa sitzt in seinem Arbeitszimmer, neben ihm auf dem Tisch stapeln sich die Zeitungen der letzten Wochen, darauf Dutzende schwarze Ringe: Zeugen seiner Kaffeesucht. Er blättert in einem Buch und blickt erst auf, als ich meinen Rucksack in einem Anfall von Trotz in die Ecke zwischen die Zeitschriftenstapel schmetterte. Die Dielen ächzen, als sich Papa aus dem Sessel hievt, in dem er vermutlich den ganzen Morgen saß. Manchmal fürchte ich, er kommt nur uns zuliebe aus ihm heraus. Für einen kurzen Moment, einen Kuss, eine Umarmung. Weil er die Scham nicht erträgt, die in unseren Blicken wächst. Was aus ihm werden soll, wenn wir erst fort sind, wage ich mir kaum auszumalen.

Unbeholfen drückt er Scarlett einen Kuss auf den Scheitel. Sie verzieht den Mund und taucht unter seinem Arm hinweg in die Küche. Anna steht am Herd und lächelt, als Scarlett von hinten die Arme um sie schlingt.

»Was gibt es?« Sie ignoriert unseren Vater.

Er nimmt es kommentarlos hin und zwinkert mir zu, ehe er zurück in sein Zimmer schlurft und im verblichenen Blümchenpolster seines Sessels versinkt. Ich beobachte von der Tür aus, wie er den Umschlag des Buches anstarrt, das er vorgab zu lesen. Früher einmal verbrachte er jeden Nachmittag mit mir in der Werkstatt. Wir flickten Möbel, schliffen und strichen Zäune, planten ein Baumhaus. Heute liegt so dicker Staub auf der Werkbank, als wäre sie seit einem Jahrzehnt ungenutzt – was sie ist.

Zehn Jahre sind vergangen, seit Mutter uns verließ.

Zehn Jahre, die Vater zu einem Wrack haben verkommen lassen. Einem Schatten seiner selbst.

»Jenna?«, fragt er heiser und blickt zu mir auf. Der Wunsch nach Ruhe steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er hofft, dass ich gehe, dass ich nicht erneut versuche, ihn aus dem Zimmer und seiner Lethargie zu befreien. Er will nicht. Er will einfach nicht.

»Ich hab dich lieb«, sage ich deshalb.

Er lächelt und kurz glänzen seine Augen wie früher, dann greift er nach einem Buch – einem anderen als zuvor – und klappt es ziellos auf. Fahrig gleitet sein Blick über die Zeilen, von denen ich bezweifle, dass auch nur eine einzige seinen Verstand erreicht. So sitzt er da, zwischen abgegriffenen Büchern und überfüllten Regalen, die sich unter der Last eines Jahrzehnts gefährlich biegen, ein einsamer alternder Mann, der dem Leben abgeschworen hat.


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