Читать книгу TEXT + KRITIK 155 - Herta Müller онлайн | страница 40

Das »rhizomatische Geflecht wiederkehrender Bilder, Themen und Motive«ssss1 hält nicht nur die einzelnen achronologisch und zum Teil elliptisch strukturierten Romane zusammen, es verbindet sie auch untereinander. So finden sich zahlreiche intratextuelle Bezüge von Zitaten, Ding-Motiven, Farbsymbolik, Plotähnlichkeiten über Metaphern und ähnlich charakterisierte Figuren (etwa zwischen den Erzählungen »Niederungen«ssss1 und »Herztier« oder zwischen »Herztier« und den Essays »Hunger und Seide«ssss1).ssss1 Das bewirkt aber keinesfalls, dass sich die Romane miteinander zu einem ›Kosmos‹ verbänden – dazu sind die Welten zu sehr in sich abgeschlossen und in ihrer Raumatmosphäre klaustrophobisch konnotiert. Insofern sind es auch weniger die topografischen Übereinstimmungen, die auf ein und denselben Handlungsort verweisen, als vielmehr die Konnotationen der Räume in ihrer politischen Bedeutung und psychoästhetischen Wirkung: Der Umstand, dass in allen Romanen der Fluss, manchmal auch explizit die Donau, vorkommt, verweist zwar auf die geografische Lage Rumäniens und hat insofern einen außerliterarischen Referenten in der politischen Topografie Osteuropas. Relevanter scheint der Fluss (Donau) indes als Teil des Motiv-, Metaphern-, und Metonymienreservoirs, das als typisches Element der Autorinnenstilistik konkret, bildhaft, intra- und intertextuell wirkt, wenn der Fluss als Grenze, Ort der Überschreitung und erhofften Freiheit und zugleich der Gefahr, des Todes (durch die Grenztruppen) und dessen Verschleierung sowie des Abschieds gesehen und verstanden wird. Intratextualität bewirkt meines Erachtens bei Müller keine Wiedererkennungseffekte, die dazu einladen, lesend die Orte, Ereignisse und Figuren in einen größeren Erzählzusammenhang im Sinne einer rumäniendeutschen Saga oder Trilogiessss1 einzuordnen. Vielmehr bewirken Ähnlichkeit oder gar Wiederholung eine Affirmation der schon geschulten Wahrnehmung, eine Förderung der abgründig skeptischen Lektürehaltung, der Schärfung von Ambivalenz-Sinn und Mehrdeutigkeits-Toleranz. Insofern verstärken die Romane einander zu einer Art poetischer ›bubble‹, im Sinne jener »filter bubbles«, die eine Wahrnehmungssphäre konstituieren und durch Bestätigung abgrenzen, aus der es kein Entkommen gibt, weil das Individuum sie mitnimmt, wohin auch immer es geht.


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