Читать книгу TEXT + KRITIK 155 - Herta Müller онлайн | страница 32

Logik hat der Ministerialvertreter gar nicht nötig: »Also, wie gesagt: da demnach dennoch das Maschinenbauministerium weil Sie, nachdem, seit der Betrieb, während dieser Zeit eine Stelle, sondern, oder Ihnen angehört, und das Maschinenbauministerium leider währenddessen, also das Unterrichtsministerium deshalb durch den Betrieb (…) seither, demnach auf keinen Fall zuständig ist.«ssss1

Die Poetik, aus der 1993, wenige Jahre nach der Flucht in die Bundesrepublik, der erste Collagenband mit dem Untertitel »Vom Weggehen und Ausscheren« hervorgehen sollte, kündigt sich hier schon an: Die Brüche und Lücken im Sprachteppich des Beamten sind das Entscheidende. Sie bringen die Leser auf die Spur, auf die es ankommt. Realistisch anmutende Auszüge aus einer Ansprache werden so miteinander verschnitten, dass Sinnangebote jenseits logisch nachvollziehbarer Kausalitäten und syntaktischer Regeln entstehen, indem beim Lesen von einem Schnitt zum nächsten geglitten und so eine Spur erkennbar wird, die systemimmanente Gewalt offenlegt; in dieser ironischen Fusion von Realismus und Dada liegt eine der Charakteristiken von Herta Müllers Poetik. In diesem Beispiel führt die Spur auf die Willkür, Selbstgefälligkeit, Rücksichtslosigkeit, aber auch auf die Allmacht des leitenden Beamten, der ministerielle Zuständigkeiten und Gewaltenteilung ebenso ignorieren, wie er die grammatikalischen Regeln missachten und dabei über die Existenz Inges entscheiden kann. Noch deutlicher wird dieser Zug von Müllers Poetik in den Reflexionen über das Collagieren, die Inge in »Reisende auf einem Bein« anstellt. Zudem lässt sich hier schon der Ansatz ausmachen, den totalitären Anordnungen von Sinn – einschließlich der normierten Verhaltens- und Redeweisen – einen eigenen »Irrlauf im Kopf«ssss1 entgegenzusetzen. »Aus dem, was man erlebt hat, sucht sich der Zeigefinger im Kopf auch beim Schreiben die Wahrnehmung aus, die sich erfindet.«ssss1 Dieser ästhetische, auf Sinneswahrnehmungen basierende Widerstand als Verfahren der Dekonfiguration totalitärer Macht gehört zu den Konstanten in Herta Müllers Werk. Er ist grundsätzlich ironischer Natur, denn auf den ersten Blick werden die Verhältnisse bloß aufgezeigt, insgesamt aber werden sie negiert.ssss1


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