Читать книгу TEXT + KRITIK 155 - Herta Müller онлайн | страница 15

Ich würde, wenn es Ihnen recht ist, gerne das Thema wechseln, hin zum Schreiben und besonders hin zum Herstellen von Collagen. Ich möchte beginnen mit einer Frage, die die ganz unmittelbare ›Materialität‹ und vor allem auch die ›Körperlichkeit‹ des Schreibens betrifft. Welche Schreibutensilien nutzen Sie? Schreiben Sie im Stehen oder im Sitzen?

Ich habe solchen Fragen oder Problemen noch nie eine Bedeutung beigemessen. Ich habe überhaupt keine Rituale. Ich würde auch nie sagen: Das kann ich so und nur so oder nur dort oder nur dann oder nur unter bestimmten Umständen. Solche Gedanken kommen mir nicht, weil ich, als ich anfing zu schreiben, in der Not geschrieben habe. Ich habe in der Fabrik, zwischen den Etagen, auf den Treppen, geschrieben, das heißt: Mein Schreibzeug ist gewesen, was ich zur Hand hatte. Es gab in Rumänien nicht einmal Papier. Ich habe Papier aus der Fabrik genutzt, irgendwelche einseitig beschriebenen Listen oder Formularblätter, die im Büro nicht mehr gebraucht wurden. Das schenkten mir die Buchhalter. Es gab auch keine Kopiergeräte; Schreibmaschinen mussten jedes Jahr für eine Schriftprobe zur Polizei gebracht werden, und man musste erklären, warum man sie benötigt und wer alles Zugang zu ihr hat. Also, da entwickelt man keine Allüren mit dem Werkzeug oder mit der Körperhaltung. Ich schrieb in der Haltung, in der es eben in diesem Moment ging, im Stehen, im Sitzen, krumm auf der Treppe in der Fabrik, oft so, dass keiner merkte, dass ich schrieb. Zu Hause versteckte ich das Geschriebene oder gab es jemand zum Verstecken, weil ich Angst hatte. Unter solchen Umständen achtet man weder auf die Art des Papiers noch darauf, ob man das Papier mit irgendeinem Bleistift oder mit was auch sonst immer beschreibt.

Geändert hat sich nichts. Also ich schreibe, wie es gerade kommt. Wenn mir etwas einfällt, schreibe ich es mit der Hand auf, danach tippe ich es ab. Seit wir einen Computer haben, kann ich hundertmal etwas verändern, ohne dass ich Tipp-Ex oder ich weiß nicht was benutze. Aber ich denke gar nicht darüber nach. Ich habe den Eindruck, wie ich schreibe, wann und mit welchen Mitteln, ob ich morgens oder abends schreibe, das ist absolut unwichtig. Wichtig ist nur, was kommt raus, damit habe ich genug zu tun. Das ist schon schwierig genug. Damit habe ich oft Probleme, nicht aber damit, womit es geschrieben ist. Kugelschreiber beispielsweise, ich klaue Hotelkugelschreiber. Ich glaube, ich wäre zu schade für einen teuren Füllfederhalter, weil ich den nicht schätzen könnte, ich bin eine, ja, ich bin eine Banausin in diesen Dingen. Anders ist es allerdings beim Kleben, da achte ich etwa sehr auf das Papier.


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