Читать книгу TEXT + KRITIK 155 - Herta Müller онлайн | страница 10

Es gab in Rumänien ja auch die Kulturinstitute der DDR. Haben Sie von diesen auch Bücher ausleihen können?

Ja, die gab es, aber die waren furchtbar, die haben wir gar nicht erst betreten. Von einem Leiter des DDR-Kulturinstituts wurden wir einmal beim Geheimdienst denunziert, wegen Wolf Biermann. Dieser Mann war dabei, als wir im Adam-Müller-Guttenbrunn-Literaturkreis in Temeswar Biermann-Lieder gehört haben. Seine Anzeige führte zu Hausdurchsuchungen bei uns.

Und haben Sie außer deutschsprachiger Literatur auch Literatur aus anderen Ländern gelesen?

Natürlich lasen wir auch Bücher rumänischer Autoren. Aber oftmals fehlte uns etwas. Wir wollten wissen, wie geriet man in so eine finstere Diktatur, wie konnte ein Land so verelenden, wie kam es zu dem ungeheuren Personenkult um Ceaușescu, wie er seit Stalin nirgends mehr in Osteuropa anzutreffen war. Auf solche Fragen benötigten wir Antworten. Die fanden wir aber weniger bei rumänischen Intellektuellen, als vielmehr bei Autoren aus Ungarn, aus der ČSSR oder aus Polen. Oder wir fanden sie bei Schriftstellern aus mittel- und südamerikanischen Ländern, die ja ebenfalls oft diktatorisch regiert wurden. Rumänien hatte – wahrscheinlich weil das Rumänische auch zu den romanischen Sprachen gehört – eine enge Beziehung zu lateinamerikanischen Schriftstellern. Viele Bücher wurden sehr früh ins Rumänische übersetzt, beispielsweise die von Gabriel García Márquez – den ersten Márquez habe ich auf Rumänisch gelesen. Wir lasen auch kubanische Literatur oder die Bücher von Ernesto Cardenal. Oft wurden aus den Ländern, mit denen es politische oder wirtschaftliche Beziehungen gab, auch Bücher importiert. Mit den Filmen war es genauso. Wir schauten uns unendlich viele sowjetische Filme an, Filme, die hauptsächlich in den asiatischen Regionen der Sowjetunion produziert wurden. Das war eine unglaubliche Kinematografie, und keineswegs nur sozialistische Auftragskunst. Diese unglaublich schönen kleinen, feinen Kunstgeschichten kamen ebenso in die Kinos wie die offiziellen, indoktrinierenden blöden Staatsschinken.


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