Читать книгу TEXT + KRITIK 155 - Herta Müller онлайн | страница 20

Entsprechen die Collagen in den Büchern von der Größe her den Originalen?

Ja, das tun Sie.

Ich sprach neulich mit einem Kollegen über die Vermarktung der Collagen als Wandschmuck. Er hat zu mir gesagt, er würde eine Collage bei sich aufhängen, allein weil er sie optisch schön findet. Ist das Ihrer Meinung nach ein legitimer Umgang?

Ach, das ist mir egal. Dumont hat jetzt schon den zweiten Kalender mit Collagen von mir gemacht. Die verkaufen sich gut. Ich bin sicher, so ein Kalender wird nicht nur von Literaturexperten gekauft. Ja, warum denn aber auch nicht? Mir wird auch immer wieder gesagt, dass gerade Kindern meine Collagen gefallen. Das freut mich, ich meine, das ist ein Zugang zur Sprache.

Verschiedene Ihrer Collagen sind in transkribierter Form wie Gedichte gedruckt worden. Die Bildebene ist dabei natürlich weggefallen. Würden Sie die Textteile der Collagen als Gedichte gelten lassen?

Ja, die Texte müssen auch für sich stehen können, sie müssen auch ohne die visuelle Dimension auskommen. Man kann den Collagentext auch als Gedicht drucken, ja, das kann man machen, es gibt nichts, was man nicht darf. Man hat ja als Autor am Ende sowieso kein Mitspracherecht mehr. Ich glaube auch, der Collage ist es egal, wenn ihr Text als Gedicht gedruckt wird. Sie fühlt sich angenommen, unabhängig davon, wo sie hängt und wer was mit ihr macht.

Bestimmte Wörter häufen sich in Ihren Collagen, zum Beispiel »Narr«, zum Beispiel »durchsichtig«.

»Durchsichtig«, das Wort gefällt mir viel besser als zum Beispiel »transparent«. Das Schöne ist das Durchsichtige. Es gibt Wörter, die mag man nicht, wahrscheinlich intuitiv, und es gibt Wörter, die man mag. Mir ist das beim Schreiben oft gar nicht so bewusst. Ich weiß nicht, wie oft ich welches Wort benutze, Wörter kommen und gehen. Vor ein paar Jahren gefiel mir das Wort »wachsnasig«, das habe ich dann mehrfach zusammenkleben müssen, so oft, bis ich das Wort so hatte, wie es meiner Meinung nach aussehen sollte, mit seinen Rändern und mit seinen Fugen zwischen den Buchstaben. Ich verwendete dann das »wachsnasig«, das mir vom Handwerklichen her am gelungensten erschien in einer Collage, aber neben diesem einen »wachsnasig« hatte ich am Ende noch mehrere andere, und da mir das Wort gefiel, setzte ich es später in andere Collagen hinein. Auch vor Kurzem habe ich das Wort erneut für eine Collage verwendet. Sie sehen ja, ich habe inzwischen so viele Wörter in den Schubladen, dass ich oft Angst habe, ich finde sie nicht mehr. Es gibt so viele Wörter, auf die ich besonders aufpassen möchte, weil ich weiß, ach, irgendwann werde ich sie benötigen, und ich lege sie dann abseits von den anderen. Aber inzwischen habe ich so viele Wörter an abseitigen Orten, dass ich oft nicht mehr weiß, an welchen abseitigen Ort ich nun gerade dieses eine Wort hingelegt habe, mit dem ich mir so viel Mühe gegeben hatte.


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