Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 56
»Mama hat immer gesagt, du könntest auch gleich zu Hause bleiben. Bei dem, was du verdienst.«
Ginia sprang vom Sofa auf: »Dieses Jahr sind wir nicht auf den Friedhof gegangen.«
»Ich war allein dort«, sagte Severino. »Tu nicht so, du weißt es ganz genau.«
Doch Ginia hatte es nur so dahingesagt. Ohne das bisschen, das sie verdiente, hätte sie sich nichts mehr zum Anziehen leisten und keine Gummihandschuhe kaufen können, um beim Spülen die Hände zu schonen. Und für das Parfüm, den Hut, die Cremes, die Geschenke für Guido hätte sie kein Geld mehr gehabt, sondern wäre eine Arbeiterin gewesen wie Rosa. Was ihr fehlte, war Zeit. Sie brauchte eine Arbeit, die nur den Vormittag in Anspruch nahm.
Andererseits hatte eine Beschäftigung auch ihr Gutes. Was hätte sie an den Tagen ohne Guido getan, wenn sie mit ihren Gedanken hätte zu Hause sitzen oder den ganzen Tag draußen herumstreunen müssen? Sie hätte sich nur den Kopf zerbrochen. So dagegen kehrte sie am nächsten Morgen in die Schneiderei zurück, und der Tag ging vorbei. Sie lief nach Hause, kochte Severino ein schönes Abendessen und beschloss, ihn all die Tage gut zu behandeln, denn danach würden die Mahlzeiten tatsächlich ausfallen.
Amelia ließ sich nicht blicken. Mehrmals war Ginia am Abend versucht auszugehen, erinnerte sich aber, dass sie sich selbst versprochen hatte, es nicht zu tun, und hoffte, Amelia werde sie besuchen. Einmal kam Rosa vorbei, die sich ein Kleid nähen wollte, um ihr den Schnitt zu zeigen, und Ginia wusste kaum noch, worüber sie mit ihr reden sollte. Sie sprachen über Pino, aber Rosa sagte nicht, dass sie nun einen anderen hatte. Sie beklagte sich vielmehr, dass sie sich tödlich langweile, und erklärte: »Was willst du? Wenn eine heiratet, hat sie das Nachsehen.«
Ginia merkte, dass sie nicht mehr schlafen konnte, weil sie immerzu an Guido dachte, und wurde manchmal wütend, weil er nicht begriff, dass er wiederkommen musste. »Wer weiß, ob er Montag zurückkommt«, überlegte sie, »womöglich kommt er gar nicht.« Insbesondere hasste sie Luisa, die nur seine Schwester war und das Vergnügen hatte, ihn den ganzen Tag zu sehen. Eine solche Ungeduld erfasste sie, dass sie erwog, ins Atelier zu gehen, um von Rodrigues zu erfahren, ob Guido sein Wort hielt.