Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 34
Am nächsten Tag kehrte sie ins Atelier zurück. Morgens in der Schneiderei hatte Signora Bice trocken bemerkt, sie könnten am Nachmittag zu Hause bleiben, weil Feiertag sei. Zu Hause traf sie Severino, der gerade das Hemd wechselte für den Aufmarsch. Es war ein patriotisches Fest, überall war geflaggt, und Ginia fragte ihn: »Ob sie den Soldaten wohl Ausgang geben?« – »Sie sollten mich lieber schlafen lassen«, sagte Severino. Aber Ginia war glücklich und wartete nicht, bis Amelia oder Rosa sie abholte, sondern lief allein los. Unten im Hauseingang des Ateliers bereute sie dann, dass sie nicht mit Amelia hingegangen war.
Sie sagte sich: »Ich will kurz nachsehen, ob Amelia da ist«, und stieg langsam die Treppe hinauf. Sie dachte nicht wirklich, dass Amelia da sei, denn um diese Zeit pflegte sie unter den Arkaden zu sein. Aber als sie oben vor der Tür angelangt war und stehenblieb, um Atem zu holen, hörte sie Rodrigues’ Stimme.
VIII.
Die Tür stand offen, und man sah das Fenster vor dem Himmel. Rodrigues’ Stimme klang laut und eindringlich. Ginia beugte sich vor und sah Guido, der am Tisch lehnte und zuhörte.
»Darf man hereinkommen?«, fragte sie leise, aber sie hörten sie nicht. In dem graugrünen Hemd kam Guido ihr vor wie ein Arbeiter. Er richtete die Augen auf sie, ohne sie zu sehen.
»Ich suche Amelia«, sagte Ginia beinahe flüsternd.
Da schwieg Rodrigues’ Stimme, und Ginia sah, dass er auf dem Sofa saß, das Knie zwischen den Händen, und sie anschaute.
»Ist Amelia nicht da?«
»Das hier ist doch nicht das Café«, sagte Rodrigues.
Ginia blickte Guido an und blieb stehen. Sie sah, wie er die Hände hinter dem Rücken auf den Tisch stützte und ganz kleine Augen machte. »Früher kamen nicht so viele Mädchen hierher«, sagte er. »Bist du es, der sie anzieht?«
Da senkte Ginia den Kopf und merkte am Tonfall, dass er nicht böse war. »Komm herein«, sagten sie zu ihr, »sei nicht albern.«
Dieser Nachmittag war der schönste, den Ginia je erlebt hatte. Sie fürchtete nur, dass Amelia käme und ihre üblichen Bemerkungen losließe, aber die Zeit verstrich und Guido und Rodrigues diskutierten immer weiter, und ab und zu sah Guido sie lachend an und sagte, sie solle Rodrigues auch einen Dummkopf nennen. Die Diskussion drehte sich um Malerei, und Guido sprach hitzig und sagte, Farben seien eben Farben. Rodrigues hielt sein Knie umfasst, stritt hartnäckig und schwieg zwischendurch oder lachte boshaft wie ein Gockel. Worum es eigentlich ging, verstand man nicht, aber es war ein Genuss, Guido zuzuhören, wenn er etwas sagte. Er war schlagfertig, und wenn Ginia ihm in die Augen sah, stockte ihr der Atem.