Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 28

Eines Tages, als sie sich unterhielten, fragte sie Amelia, warum Männer Maler wurden. »Weil es Leute gibt, die Bilder kaufen«, erwiderte Amelia. »Aber nicht von allen«, sagte Ginia, »was ist mit den Malern, denen niemand was abkauft?«

»Das ist eben Geschmackssache«, sagte Amelia, »die meisten hungern.«

»Sie malen, weil es sie befriedigt«, sagte Ginia.

»Also bitte! Würdest du dir ein Kleid schneidern, um es dann nicht zu tragen? Am schlauesten macht es Rodrigues, er behauptet, er sei Maler, aber niemand hat ihn je mit einem Pinsel in der Hand gesehen.«

An genau diesem Tag saß Rodrigues im Café und zeichnete ganz konzentriert auf einen Block. »Was machen Sie da?«, fragte Amelia und nahm ihm das Blatt weg. Auch Ginia betrachtete es neugierig, aber sie sahen nur ein Gewirr von Linien, die den Bronchien eines Menschen ähnelten. »Was ist das? Ein Kopfsalat?«, fragte Amelia. Rodrigues antwortete weder Ja noch Nein, und darauf blätterten sie den Skizzenblock durch, der viele Zeichnungen enthielt: Einige glichen Pflanzenskeletten, und manchmal waren es Gesichter, aber ohne Augen, mit schwarz schraffierten Flecken; bei manchen begriff man nicht, ob es Gesichter oder Landschaften waren. »So sehen die Sachen nachts bei Gaslicht aus«, sagte Amelia. Rodrigues lachte spöttisch, aber Ginia ärgerte sich nicht, er tat ihr eher leid.

»Da ist nichts Schönes dabei«, sagte Amelia, »wenn Sie mich so porträtieren würden, würde ich Sie nicht mehr grüßen.«

Rodrigues sah sie wortlos an.

»Ein schönes Modell ist zu schade für Sie«, fuhr Amelia fort. »Wo finden Sie Ihre Modelle? Auf dem Klo?«

»Ich brauche keine Modelle«, sagte Rodrigues. »Ich achte das Papier.«

Darauf sagte Ginia ihm, sie wolle Guidos Bilder noch einmal sehen. Rodrigues steckte den Skizzenblock in die Tasche und sagte: »Zu Ihren Diensten.«

Schließlich gingen sie alle beide hin, am folgenden Sonntag, und Ginia schwänzte einen Teil der Messe, um rechtzeitig zu kommen. Sie hatten verabredet, sich am Haustor zu treffen, aber es war niemand da, und Ginia stieg allein hinauf. Erneut stand sie unsicher vor den vier Türen im Flur, konnte sich nicht entscheiden und ging die Treppe bis zur Hälfte wieder hinunter. Doch dann fand sie sich albern, kehrte um und lauschte an der letzten Tür. Da trat aus einer anderen eine ungekämmte Frau im Morgenrock, die einen Eimer trug. Ginia richtete sich gerade noch rechtzeitig auf und fragte sie, wo der Maler wohne. Die Frau würdigte sie keines Blickes und erwiderte nichts und verschwand über den Flur. Ginia, rot und zitternd, hielt den Atem an, bis alles still war, dann rannte sie die Treppe hinunter.


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