Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 27
»Malt er denn nicht auch?«
»Da müsste eine schon sehr verzweifelt sein, um sich nackt vor ihn hinzustellen, glaubst du nicht?«
Ginia hätte Guidos Bilder gern noch einmal angeschaut, denn sie wusste, dass man Farben nur bei Tag richtig sieht. Wäre sie sicher gewesen, Rodrigues nicht dort anzutreffen, hätte sie all ihren Mut zusammengenommen und wäre allein hingegangen. Sie stellte sich vor, wie sie hinaufstieg, klopfte, Guido in seinen Soldatenhosen vorfand und ihn anlachte, um das Eis zu brechen. Das Schöne an diesem Maler war, dass er gar nicht wie ein Maler wirkte. Ginia erinnerte sich daran, wie er ihr mit einem aufmunternden Lächeln die Hand gedrückt hatte, und an seine Stimme im dunklen Zimmer und an sein Gesicht, wenn er das Licht anknipste und sie ansah, als wären sie beide, unabhängig von Rodrigues und Amelia, ein Paar. Aber jetzt war Guido nicht da, und man musste mit dem anderen rechnen.
Am nächsten Tag im Café fragte sie Amelia, ob Guido wenigstens am Sonntag freihabe. »Früher hätte ich es gewusst«, sagte Amelia. »Aber wir sehen uns schon länger nicht mehr.«
»Rodrigues hat zu mir gesagt, ich dürfe in sein Atelier kommen, wann ich will.«
»Sieh mal an«, erwiderte Amelia.
Aber er ließ sich mehrere Tage lang nicht im Café blicken. »Ich wette, er wartet darauf, dass wir ihn besuchen, jetzt, wo er über ein Bett verfügt, um uns gebührend zu empfangen. Das sähe ihm ähnlich.«
»Da kann er lange warten«, antwortete Ginia.
Als sie noch einmal darüber nachdachte, kam Ginia zu dem Schluss, dass Amelias Verhalten, sich in Anwesenheit anderer ins Bett zu legen und das Licht auszumachen, doch nicht so frech war, denn auch Guido und Rodrigues hatten nichts dabei gefunden. Was sie quälte, war die Vorstellung, was Amelia zu anderen Zeiten auf diesem Bett getrieben haben mochte, als das Zimmer nur Guido allein gehörte.
»Wie alt ist Guido?«, fragte sie.
»Früher war er so alt wie ich.«
Aber Rodrigues ließ sich nicht blicken, und eines Morgens kam Ginia, die einige Besorgungen erledigen musste, durch die Straße jener Nacht. Sie blickte hoch und erkannte die dreieckige Vorderfront des Ateliers. Ohne lange zu überlegen, stieg sie die Treppe hinauf, die kein Ende nahm, aber oben im letzten Flur gab es mehrere Türen, und sie konnte sich nicht entscheiden. Sie begriff, dass Guido nicht berühmt war, da er nicht einmal ein Namensschild hatte, und im Hinuntergehen dachte sie gerührt an die Lampe an jenem Abend, die für einen Maler tödlich sein musste. Als sie dann Amelia traf, sagte sie ihr nichts von dem Besuch.