Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 23
»Wie geht das eigentlich? Kommt ein Maler zu dir und fragt, ob du ihm Modell stehen willst?«, fragte sie lachend.
»Es gibt auch solche, die gar nichts sagen«, erklärte Amelia ihr. »Die wollen keine Modelle.«
»Und was malen sie dann?«, sagte Ginia.
»Weißt du es? Da ist einer, der erzählt, dass er so malt, wie wir Lippenstift benutzen. ›Was malst du denn, wenn du Lippenstift benutzt? Genau so male ich.‹«
»Aber mit Lippenstift malt man sich die Lippen an.«
»Und er malt die Leinwand an. Ciao, Ginia.«
Machte Amelia solche Scherze, ohne zu lachen, fürchtete Ginia, es werde etwas geschehen, war enttäuscht und fühlte sich allein, während sie heimging. Zum Glück musste sie zu Hause schnellstens die Pasta für Severino kochen, und nach dem Essen sah alles schon anders aus, weil es Nacht wurde und Zeit, allein oder mit Rosa auszugehen. Manchmal dachte sie: »Was für ein Leben führe ich eigentlich. Keine Sekunde kann ich verschnaufen.« Aber dieses Leben gefiel ihr, denn nur so war es schön, nachmittags oder auch abends, wenn sie im Café bei Amelia vorbeiging, einen Augenblick Frieden zu finden und sich auszuruhen. Hätte sie Amelia nicht gehabt, wäre sie freier gewesen, aber wozu, jetzt, da das Wetter sich verschlechterte und es keinen Spaß mehr machte, die Straße zu überqueren? Falls in diesem Winter etwas geschehen sollte – Ginia spürte es –, so würde Amelia den Anstoß geben und nicht Dummköpfe wie Rosa oder Clara.
Im Café begann sie Bekanntschaften zu machen. Es gab einen Herrn, der Barbetta ähnelte und Amelia zuwinkte, wenn sie gingen. Er siezte sie, und Amelia sagte zu Ginia, er sei kein Maler. Ein hochgewachsener junger Mann, der vor den Arkaden mit dem Auto anhielt und eine sehr elegante Signora dabeihatte, kam manchmal an den Tresen, und Amelia kannte ihn nicht, sagte aber, er sei kein Maler. »So viele sind es nicht, was glaubst du denn«, sagte sie zu Ginia. »Wer wirklich arbeitet, geht nicht ins Café.« Alles in allem kannte Amelia die Kellner besser als die Gäste, aber Ginia, die sich durchaus amüsierte, wenn sie sie scherzen hörte, achtete darauf, niemandem zu viele Vertraulichkeiten zu gestatten. Einer, der oft bei Amelia saß und Ginia das erste Mal gegrüßt hatte, ohne sie überhaupt anzuschauen, war ein behaarter junger Mann mit weißer Krawatte und tiefschwarzen Augen, der Rodrigues hieß. In der Tat wirkte er nicht wie ein Italiener und sprach kehlig, und Amelia behandelte ihn wie einen Jungen und sagte zu ihm, wenn er diese Lira gespart hätte, anstatt sie im Café auszugeben, hätte er in zehn Tagen ein Modell bezahlen können. Ginia hörte belustigt zu, aber der junge Mann mit der unsicheren Stimme fing wieder an, Amelia bald wie eine schöne Frau, bald wie ein launisches Kind zu behandeln. Sie lachte, aber manchmal wurde sie ärgerlich und sagte, er solle verschwinden. Dann wechselte Rodrigues den Tisch, zog einen Bleistift heraus und begann zu schreiben, während er sie beide schief ansah. »Achte nicht auf ihn«, sagte Amelia, »er würde es genießen.« Nach und nach gewöhnte sich auch Ginia an, ihn links liegen zu lassen.