Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 22

»Wartest du auf jemanden?«, fragte Ginia.

»Ich warte immer«, sagte Amelia und machte ihr neben sich Platz. »Das ist meine Arbeit. Um sich vor einem Maler ausziehen zu dürfen, muss man Schlange stehen.«

Amelia hatte eine Zeitung und ein Päckchen Zigaretten vor sich auf dem Tisch liegen. Also verdiente sie etwas. »Schön, dieser Hut, aber er macht dich alt«, sagte Ginia und blickte ihr in die Augen. »Ich bin alt«, sagte Amelia. »Gefällt er dir nicht?«

Amelia lehnte sich an den Spiegel, als säße sie auf einem Sofa. Sie schaute nach vorn, in den Spiegel gegenüber, in dem Ginia auch sich selbst sah, aber kleiner. Sie wirkten wie Mutter und Tochter. »Und du bist immer hier?«, fragte sie. »Kommen die Maler hierher?«

»Sie kommen, wann sie Lust haben. Heute hat sich noch keiner blicken lassen.«

Der Kronleuchter brannte, und viele Leute gingen draußen am Fenster vorbei. Der Raum war voller Rauch, aber so hell und ruhig, dass es schien, als kämen die Geräusche und Stimmen von weit her. Ginia beobachtete zwei Mädchen in einer Ecke, die sich angeregt unterhielten und mit dem Kellner sprachen. »Sind das Modelle?«, fragte sie.

»Ich kenne sie nicht«, sagte Amelia. »Nimmst du einen Kaffee oder einen Aperitif?«

Ginia hatte immer geglaubt, ins Café ginge man, um sich mit einem Mann zu treffen, als Paar, und sie konnte es kaum fassen, dass Amelia die Nachmittage allein dort verbrachte, fand es aber so schön, auf dem Heimweg von der Schneiderei durch die Bogengänge zu schlendern und dabei ein Ziel zu haben, dass sie am nächsten Tag gleich wieder hinging. Wäre sie nur ganz sicher gewesen, dass Amelia sie gerne sah, hätte sie sich prächtig amüsiert. Diesmal bemerkte Amelia sie durch die Scheibe, machte ihr ein Zeichen und kam heraus. Gemeinsam stiegen sie in die Straßenbahn.

An diesem Abend redete Amelia nicht viel. »Es gibt doch richtige Flegel«, sagte sie nur. »Hast du auf jemanden gewartet?«, fragte Ginia.

Bevor sie sich trennten, plauderten sie noch ein wenig und verabredeten sich für den nächsten Tag, sodass Ginia zu der Überzeugung kam, Amelia sehe sie gerne, und wenn sie etwas in die falsche Kehle bekommen hatte, gab es andere Gründe dafür, vielleicht irgendeine hässliche Begegnung.


Представленный фрагмент книги размещен по согласованию с распространителем легального контента ООО "ЛитРес" (не более 15% исходного текста). Если вы считаете, что размещение материала нарушает ваши или чьи-либо права, то сообщите нам об этом.