Читать книгу Mein Chef und andere Hürden онлайн | страница 2
„... danke für Ihr zahlreiches Erscheinen. Mit den ... äh ... drei Mitarbeitern, die sich entschuldigten, sind alle anwesend, somit ... äh, sind wir vollzählig.“ Sich gedankenvoll über sein Bärtchen streichend, sah er wie ein gesättigter Löwe in die Runde und setzte fort: „Wieder ist ein Jahr zu Ende gegangen, in dem wir alle Anforderungen, sowie ... äh ... Herausforderungen meisterten. Dank Ihrer hohen Einsatzbereitschaft und Leistung, äh ... ohne die dieses harte Jahr nie so erfolgreich abgeschlossen worden wäre ...“
Ich schüttelte den Kopf. Was redet er da? Hat er vergessen, was er noch gestern zu mir sagte?
„Frau Starz, wenn Sie nicht einmal eine frische Melone von einer faulen unterscheiden können, ... äh ... die nichts im Regal zu suchen hat, wie wollen Sie dann die Prüfung zum Bereichsleiter für Obst und Gemüse schaffen?“
Was für eine Frage. Als ob ich, eine blondierte, kinderlose Single-Frau von dreiunddreißig Jahren und pendelndem Gewicht ab siebzig Kilo, bei einer Größe von eins-sechzig ohne Stöckelschuhe, mit selbst erlernten, hausfraulichen Qualitäten, nicht wüsste, wie eine frische, knackige Zuckermelone auszusehen hatte, damit sie gekauft wurde. Wie dieses verschrumpelte Ding ins Regal gekommen war, wusste ich nicht.
Er fächerte mit der Hand herum, als wolle er etwas verscheuchen und zischte: „Der ausgelaufene Saft zieht schon die Mücken an.“
Peinlich berührt blickte ich mich um, während sich der drängende Wunsch in mir entfachte, contra zu geben. Kein Wunder, dass mir meine Zunge nicht gehorchen wollte, sämtliche Kunden blickten interessiert in unsere Richtung. Doch deren erweckte Neugier brachte mich nicht aus dem Konzept. Wir standen mitten im Verkaufsraum in der Obstabteilung, die Kolleginnen hatten jedes Wort mitgehört. Wie bitteschön sollte ich mich als neue Chefin der Obstabteilung bei meinen Mitarbeitern ernsthaft durchsetzen können, wenn er mich vor ihnen abkanzelte, wie ein Schulmädchen?
Zum Glück hielt ich die Bestellmappe in der Hand. Wirbelte damit hinter seinem Rücken ein paar Mal in der Luft herum und hoffte, dass die lieben Flügeltierchen so das Weite suchten. Um mich dann umzusehen und übertrieben harmlos zu fragen: „Wo sind denn hier Mücken?“