Читать книгу DIE KATAKOMBEN онлайн | страница 19
»Ich werde alles aufessen«, versicherte ich ihr. »Das sieht köstlich aus.«
»Roland, der liebte seine Crêpes. Isch machte sie für ihn jeden Morgen.«
Roland Gabin, der längst verstorbene Ehemann, hatte im Zweiten Weltkrieg Spitfires geflogen und dann die nächsten vierzig Jahre im Beamtenstand verbracht, bis sein Herz im Alter von vierundsechzig den Dienst versagte.
Ich sagte: »Er hatte Glück, Sie zu haben.«
Madame Gabin nickte, aber ihre Augen waren verschleiert, als hätte sie sich in der Vergangenheit verloren. Arme Frau, dachte ich. Sie hatte niemanden. Zumindest hatte ich nie gesehen, dass sie jemand besucht hatte, seit ich ihr Nachbar geworden war. Keine Kinder, keine Enkelkinder. Falls, oder eher wenn sie in ihrer Wohnung sterben würde, würde sie vermutlich unentdeckt dort liegen, in ihrem Bett oder in ihrem Sessel oder wo auch immer verwesen, bis jemand – ich? – einen merkwürdigen Geruch bemerken würde. Es war ein unwürdiges Schicksal für eine Lady, von der ich annahm, dass sie in ihren besten Jahren so hinreißend und charmant wie ein Filmstar gewesen war.
»Tja, danke«, sagte ich und hielt den Teller in die Höhe.
Sie blinzelte. »Oui. De rien.«
Ich machte mich auf den Weg zu meiner Wohnung und stoppte dann. Madame Gabin stand noch immer vor ihrer Eingangstür und starrte in mittlere Ferne.
»Madame Gabin?«
Sie antwortete nicht.
»Audrey?«
Sie drehte mir langsam den Kopf zu.
»Was machen Sie morgen Abend?«
»Morgen?«
»Ich habe in letzter Zeit französisch Kochen geübt. Ich glaube, ich hab den Dreh von ein paar Gerichten raus, aber ich hätte gerne etwas Feedback. Möchten Sie zum Abendessen kommen?«
»Oh, non, merci. Isch … isch glaube nischt …«
»Ich würde gerne noch ein paar Geschichten über Ihren Mann hören.«
»Vraiement?« Ihre Miene erhellte sich. »Nun ja … ja, oui, wenn das in Ordnung ist?«
»Wie wäre es um sieben Uhr?«
»Ja, sieben Uhr. Isch bringe Dessert.«
Auf ihre traurig-zufriedene Weise lächelnd hinkte sie in ihre Wohnung zurück, während ich in meine ging.
***
Meine schuhkartongroße Einzimmerwohnung wies einen so schockierenden Mangel an Besonderheit auf, dass es eine Besonderheit an sich war. Sie war eintönig eingerichtet, mit braunem Teppich von Wand zu Wand, einem Ei-Sessel, der älter war als ich, einem kleinen Holzschreibtisch und einem Bett mit Metallrahmen, das so kurz war, dass meine Füße über die Kante hingen. Ein Fernseher stand auf einem niedrigen Tisch in der Ecke. Er empfing nur ein paar Kanäle und ich benutze ihn kaum. Die Wände waren senfgelb und von den Löchern von Schrauben und Nägeln vernarbt, die frühere Mieter zum Aufhängen von Bildern benutzt hatten. Meine einzigen Ergänzungen waren ein Bügeleisen mit Bügelbrett, weil die Trockner im Waschsalon einen Block weiter nicht vernünftig funktionierten und meine Kleider feucht und zerknittert blieben.