Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 12

Ginia war nicht erstaunt. Sie hatte es erwartet. Ruhig fragte sie, ob sie sofort anfange. »Schon angefangen, heute Morgen«, sagte Amelia. »Zwei Stunden.« – »Jetzt bist du sicher froh«, sagte Ginia.

Dann fragte sie, um was für ein Bild es sich handle. »Kein Bild. Er macht Skizzen von mir. Er zeichnet mein Gesicht. Ich rede, und ab und zu wirft er ein Profil hin. Es ist keine Arbeit für länger.« – »Also stehst du gar nicht Modell?«, fragte Ginia. »Was glaubst du denn«, sagte Amelia, »dass Modellstehen nur heißt, sich auszuziehen und nackt dazustehen?«

»Gehst du morgen wieder hin?«, fragte Ginia.

Amelia ging am nächsten Tag wieder hin und dann noch mehrere Male. Am Abend danach erzählte sie lachend von dem Maler, der nie stillstand und der sie fragte, ob sie je jemand so gemalt habe, hin und her laufend, wie er es tat. »Heute Morgen hat er eine Aktzeichnung von mir gemacht. Er weiß genau, wie es geht. Zuerst tastet er sich langsam heran. Aber dann bringt er dich mit vier Strichen aufs Papier und braucht dich nicht mehr.« Ginia fragte sie, wie er sei, und Amelia sagte: »Ein kleines Männchen.« – »Wie hast du ihn gefunden?« – »Durch Zufall. – Komm mich morgen abholen«, sagte Amelia. Sie verabredeten, am Samstagnachmittag gemeinsam hinzugehen.

Den ganzen Weg über, in der Sonne, brachte Amelia sie an jenem Nachmittag zum Lachen. Über eine Wendeltreppe gelangten sie in einen großen halbdunklen Raum, in den nur ganz hinten durch einen Spalt zwischen den Vorhängen ein wenig kühles Licht fiel. Ginia war mit klopfendem Herzen auf den letzten Stufen stehengeblieben. Amelia rief laut »Guten Tag« und ging im Halbdunkel bis in die Zimmermitte, und aus den Vorhängen trat ein Mann – fett, mit grauem Bärtchen –, der mit den Händen wedelnd sagte: »Nichts zu machen, Mädchen. Heute muss ich weg.« Er trug ein langes, helles Hemd, das sich als schmutzig gelb herausstellte, als er sich umdrehte und den Vorhang ein wenig beiseite schob, um Licht hereinzulassen. »Heute wird nicht gearbeitet, Mädchen, heute muss man an die Luft.«


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