Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 10
Ginia fasste Zutrauen zu Amelia, als ihr klar wurde, dass diese trotz aller Lebhaftigkeit ein armes Ding war. Ginia erkannte das nun, wenn sie nur ihre Augen betrachtete oder ihren schlecht geschminkten Mund. Amelia ging ohne Strümpfe, weil sie gar keine hatte; sie trug immer dieses schöne Kleid, weil sie kein anderes besaß. Ginia kam zu diesem Schluss, als sie einmal merkte, dass auch sie selbst sich verrückter fühlte, wenn sie ohne Hut ausging. Wer sie nervte, war Rosa, die das sofort durchschaut hatte. »Lohnt es sich etwa, so ein Leben zu führen«, sagte Rosa, »wenn man sich dann ins Bett legen muss, weil das Kleid einen Riss hat?« Mehrmals fragte Ginia sie, warum sie nicht wieder Modell stand, und Amelia sagte, um Arbeit zu finden, dürfe man nicht arbeitslos sein.
Es wäre schön gewesen, den ganzen Tag nichts zu tun und dann zusammen durch die Stadt zu schlendern, wenn es kühler wurde, aber so elegant zu sein, dass, während sie die Schaufenster betrachteten, die Leute sie betrachteten. »So frei zu sein, wie ich es bin, macht mich wütend«, sagte Amelia. Ginia hätte viel darum gegeben, Amelia mit Begeisterung über viele Dinge sprechen zu hören, die ihr gefielen, denn wahre Vertrautheit ist, zu wissen, was der andere sich wünscht, und wenn einem die gleichen Dinge gefallen, fühlt man sich weniger befangen. Doch Ginia war nicht sicher, ob Amelia, wenn sie gegen Abend unter den Arkaden bummelten, das ansah, was sie selbst ansah. Man konnte nie darauf schwören, dass ihr dieser Hut oder jener Stoff gefiel, und musste immer darauf gefasst sein, dass sie lachte, wie sie es mit Rosa machte. Da sie den ganzen Tag allein war, sagte sie nie, was sie gern Schönes tun würde, und wenn sie etwas sagte, meinte sie es nicht ernst. »Ist dir, wenn du auf jemanden wartest, noch nie aufgefallen, wie viele Schweinsgesichter und Hühnerbeine vorbeikommen? Ein herrlicher Zeitvertreib.« Vielleicht scherzte Amelia, aber vielleicht stimmte es, dass sie die Viertelstunden so verbrachte, und Ginia dachte jedenfalls, dass sie recht dumm gewesen war, an jenem Abend durchblicken zu lassen, wie gern sie einmal beim Malen zusähe.