Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 15
Ginia hob das Gesicht und versuchte zu lächeln. »Ich erkenne dich nicht«, sagte sie. Dann blätterte sie alle nacheinander noch einmal durch. Danach war sie ruhiger. Schließlich saß Amelia angezogen vor ihr und lachte.
Töricht fragte sie: »Hat er die gemacht?« Amelia, die nicht begriff, erwiderte laut: »Ich ganz bestimmt nicht.«
Als Barbetta fertig war, wäre Ginia gern wieder so geblendet gewesen wie vorher, um die Augen zu schließen und zu warten. Doch Amelia rief, sie solle kommen, und vor dem großen Blatt war auch Ginia erstaunt. Es zeigte viele Male ihren Kopf, willkürlich aufs Blatt geworfen, manchmal schief, manchmal mit einer Grimasse, die sie nie gemacht hatte, aber die Haare, die Wangen, die Nasenflügel waren echt, waren ihre. Sie sah Barbetta an, der lachte, und es schien ihr unmöglich, dass dies die gleichen grauen Augen sein sollten wie zuvor.
Dann hätte sie Amelia am liebsten verprügelt, denn diese begann zu sticheln und darauf zu beharren, dass eine Stunde eine Stunde sei und dass Ginia für ihren Lebensunterhalt arbeite. Sie erwiderte, sie sei ganz zufällig mitgekommen und wolle ihr nicht ins Handwerk pfuschen. Barbetta lachte in seinen Bart und sagte, er müsse gehen. »Kommt, ich spendiere euch ein Eis. Aber dann verschwinde ich.«
IV.
Am nächsten Morgen gingen sie wieder zusammen hin, denn diesmal sollte Amelia Modell stehen. »Wehe«, sagte Amelia, »wenn du mir noch einmal den Platz wegnimmst. Dieser Halunke weiß, dass du dich mit einem Eis abspeisen lässt, und nutzt es aus, dass du noch Jungfrau bist.« Ginia war nicht mehr so zufrieden wie vorher, und gleich nach dem Aufwachen hatte sie an ihre Porträts gedacht, die noch zwischen den Aktzeichnungen von Amelia lagen, und an das schreckliche Herzklopfen, das sie bekommen hatte. Sie hegte noch die winzige Hoffnung, sie könne sich ihre Gesichter schenken lassen, nicht, weil sie sie unbedingt wollte, sondern damit sie nicht der Neugier jedes x-beliebigen ausgesetzt blieben. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass ausgerechnet Barbetta, dieser fette alte Papi, Amelias Beine, Rücken, Bauch und Brustwarzen gezeichnet, daran radiert und herumgepfuscht hatte. Sie wagte ihr nicht ins Gesicht zu sehen. Diese grauen Augen und dieser Bleistift hatten sie fixiert, vermessen und erforscht, schamloser als ein Spiegel, und sie hatte stillgehalten oder womöglich herumgealbert und geplappert.