Читать книгу Das Tagebuch der Jenna Blue онлайн | страница 36

Am Ende stehe ich schweißgebadet in der Melisse; meine Haut brennt, als wäre ich durch Berge aus Kämmen und Bürsten und Spiegelscherben gewatet. Die Leiter presse ich an mich wie einen teuer errungenen Schatz. Bis zur Mauer ist es nicht weit. Viel zu schnell steht die Leiter fest im Gestrüpp und ich auf der obersten Sprosse.

Der Moment der Wahrheit naht.

Traue ich mich hinüber?

Vertraue ich darauf, dass es keinen Fluch gibt?

Dass ich es überlebe?

Ich kralle mich in den Efeu und überwinde den letzten Abstand. Schon sitze ich auf der Krone, ein Bein auf jeder Seite. Bin ich bereit? Der Wind streicht durch die Holunderbüsche, ich kann sie nicht sehen, nur hören. Alles ist schwarz, der Garten der Villa genauso wie mein Zuhause. Einzig in der Küche brennt Licht. Anna sitzt mit einer Tasse Tee am Tisch und liest. Wie leicht es ist, in hell erleuchtete Fenster zu blicken, sicher verborgen im Mantel der Nacht. Ich frage mich, wie viele Menschen es mir gerade gleichtun und dieses Ziehen ganz tief in der Brust spüren, diese Sehnsucht nach etwas, das zum Greifen nah und doch in unerreichbarer Ferne liegt. Eine Scheibe und tausend Welten liegen dazwischen.

Anna trinkt einen Schluck.

Ich wende mich ab und ziehe das zweite Bein hinüber. Unter mir liegt der verbotene toxische Garten der Spukvilla. Nur einen Sprung entfernt. Kein Grund, kein Strauch ist zu erkennen. Ich greife mir ein Bündel Efeuranken und schiebe mich über den Rand. Der Efeu ächzt, meine Füße finden keinen Halt. Statt zu springen, wollte ich hinabklettern, jetzt hänge ich da wie ein nasser Sack. Zu allem Überfluss höre ich Stimmen. Innerhalb des Gartens. Sie nähern sich rasch.

»Du hast was gehört?«

»Alter! Verarschst du mich?«

»Zwei Mädchen, die über Selbstbefriedigung reden? Come on! Das ist so hart an den Haaren herbeigezogen, wie kann ich das glauben?«

»Wenn ich es doch sage! Ich bin die verkackte Mauer abgelaufen, um den Weg zu finden, da hab ich sie ganz deutlich gehört.«

»Wohl eher halluziniert.«

Ein Schlag erklingt, als würde einer dem anderen eine verpassen. Es sind männliche Stimmen, die genau unter mir zum Stillstand kommen. Ich erstarre zur Salzsäule – darin habe ich Übung – und lausche ihnen mit pochendem Herzen.


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