Читать книгу Mein Chef und andere Hürden онлайн | страница 29
Auf dem aktiven Verkaufsplan standen Ananas feil. Ich steckte saftige, appetitlich mundgerechte Würfel auf Zahnstocher und platzierte sie igelig liebevoll aufs Serviertablett, damit der Kunde sie flugs genießen konnte, wenn er wollte. Postierte mich damit vor die Ananaspyramide, die wir frühmorgens mitten in die Abteilung konstruiert hatten, und spähte optimistisch sowie verkaufsgeil nach meinen ersten „Opfern“.
Noch trotteten sie recht spärlich an. Aber das hatte auch sein Gutes, so entkam niemand meinem Verkaufsgenie. Der ersten Kundin, die mein Territorium betrat, hüpfte ich beflügelt vor die Füße, motiviert meinen einstudierten Text herunter zu spulen: „Guten Morgen, darf ich Ihnen eine Ananas zum Kosten anbieten?“
Die Frau winkte ab. „Nein danke. Habe gerade gefrühstückt.“
Auch gut. Dieser kaum spürbare Dämpfer an den genialen Verkäufer in mir haute mich stehenden Fußes nicht um. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, auf ein Neues, dachte ich beflissen. Lauernd fixierte ich ein älteres Ehepaar gegenüber, das gemütlich abschätzend Tomaten einsackte. Die sahen mir aus, als bräuchten sie eine Ananas. Guten Mutes bewegte ich mich auf sie zu und streckte ihnen flötend das Tablett mit den saftigen Würfeln vor die Nase: „Guten Morgen, darf ich Ihnen eine Ananas zum Kosten anbieten?“ Der grauhaarige Herr smylte und näselte: „Das ist lieb von Ihnen, aber mein Magen verträgt die Säure nicht.“
Abwartend lächelnd konzentrierte ich mich auf die sorgfältig zurechtgestylte Dame an seiner Seite. „Danke.“ Sie schüttelte den Kopf. Unbegreiflich. Mein Lächeln erstarb. Ich war verstimmt und nahe daran herauszuschreien: warum nicht! Besann mich gerade noch, denn schon kam der wahre Abnehmer des Weges. Ein junger Mann, spindeldürr, geschätzter Vegetarier.
„Wollen Sie kosten?“, fragte ich, schon kürzer angebunden, ihm den Köder vor sein Antlitz haltend, mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich preisgab, was ich dachte. Nämlich: Wage es nicht, nein zu sagen. Unverkennbar eingeschüchtert griff der Dürre zu, was purer Balsam für meine Verkaufsseele bedeutete. Hastig, als würde er lieber das Weite suchen, führte er die Frucht auf dem Stocher an seinen geöffneten Mund. Doch noch bevor er das Stück hineinschob, purzelte es zu Boden. „Oh“, entfuhr es mir, bückte mich, um das Missgeschick auszumerzen. Während ich in Hocke ging, um die Frucht aufzuklauben, dabei emsig versuchte das Serviertablett in meiner Hand im Gleichgewicht zu halten, schmiss er mir das verwaiste Holzstäbchen unbemerkt aufs Tablett. Als ich aufschaute und nur mehr sein davonstrebendes Hinterteil wahrnahm, sprudelte es aus mir heraus: „Sie dürfen gern noch einmal ...“ Na, dann nicht. Aktiv verkaufen entpuppte sich zur Knochenarbeit, die eine Schwerstarbeiterzulage rechtfertigte. Namens Nervenkrisentöter. Zeit zum Lamentieren blieb mir allerdings nicht. Eine Mutter, mit ihren zwei Kindern im Kinderwagen, förderte schlagartig die Wachsamkeit eines Spions in mir. Die schrien geradezu nach Vitaminen.