Читать книгу Kulturkampf im Klassenzimmer онлайн | страница 4

Unser erstes Interview dauerte fast fünf Stunden und wurde immer intensiver. Ich brauchte am Ende kaum noch Fragen stellen. Es war, als redete sie sich die Erfahrungen der letzten Jahre von der Seele, als durchlebte sie die jeweilige Situation noch einmal. Susanne Wiesingers Worte ließen mich schockiert zurück. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Probleme so viele Jahre lang einfach ignoriert worden waren.

Dass ihre Geschichte, die wir in mehreren Video-Interviews auf der Rechercheplattform addendum.org veröffentlichten, für Aufsehen sorgen würde, hatte ich vermutet. Dass sie international diskutiert und in Österreich eine so intensive Debatte über die Rolle des Islam im Klassenzimmer auslösen würde, hätte ich nicht geglaubt. Doch Susanne Wiesinger traf mit ihren ehrlichen Worten den Nerv der Zeit. Die Kritik aus der roten Lehrergewerkschaft und dem Stadtschulrat war entsprechend heftig. Gerechnet hatte Susanne Wiesinger damit, aber wohl nicht in dieser Art und Weise, schließlich hatte sie viele Jahre mit den Kollegen eng zusammengearbeitet und ihre Gedanken regelmäßig in Sitzungen und Gesprächen geäußert. Dass dies dort ignoriert oder verharmlost wurde, gab letztendlich den Ausschlag für den Schritt an die Öffentlichkeit.

Der Preis, den sie für diesen Schritt zahlt, ist hoch. Bis heute. Besonders auch im privaten Umfeld. Viele ihrer Bekannten, meist bürgerliche Linke, verstehen nicht, warum sie diese Kritik äußert. Linke Kreise werfen ihr vor, rechts und islamophob zu sein. Man meidet sie und möchte nicht einmal mehr über die unterschiedlichen Standpunkte diskutieren. Sie würde zu sehr polarisieren. Ihre früheren Gewerkschaftskollegen haben den Kontakt zu ihr abgebrochen. Wenn es dann doch einmal zu einem Gespräch kommt, dann nur, um ihr mitzuteilen, sie solle sich nicht weiter zu Gewerkschaftsthemen oder dem Islam in der Schule äußern. Sie möge endlich still sein. Sie merke nicht, dass sie von Addendum manipuliert, instrumentalisiert und ausgenutzt werde.

Susanne Wiesinger ist überzeugt: Nur wenn wir die Probleme und Herausforderungen mit muslimischen Schülern anerkennen, können wir zu konstruktiven Lösungen kommen. Dass sie mit ihrer Wahrnehmung nicht allein ist, habe ich in den vielen Gesprächen mit anderen Lehrern erfahren. Viele bestätigten die angesprochenen Probleme im Klassenzimmer. Im Unterschied zu Susanne Wiesinger scheuen sie davor zurück, öffentlich zu sagen, was ist.


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