Читать книгу Kulturkampf im Klassenzimmer онлайн | страница 10

Anfang Jänner 2018 ging ich zur Abschlusskundgebung der großen Demonstration gegen die neue türkis-blaue Regierung auf dem Heldenplatz in Wien. Als Sozialdemokratin kritisierte ich den geplanten Abbau im Sozialsystem, das war meine Hauptmotivation hinzugehen. Ich lauschte einer Rednerin, die uns Demonstranten aufforderte, unsere Körper schützend vor alle Moscheen zu werfen. Tosender Applaus um mich herum! Frauen mit netten Transparenten riefen spontan: „Wir werden Kopftuch tragen!“

Ich war in diesem Moment wie erstarrt und fühlte mich wirklich einsam. Ich musste die Demo fluchtartig verlassen. Natürlich darf kein Mensch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert werden. Meine Gedanken waren aber auch: Würden diese jubelnden Demonstrantinnen ihre Körper auch vor Moscheen werfen, mit deren Hilfe meinen Schülerinnen ein Ehemann vermittelt wird? Werfen sie den Körper auch vor jene Moscheen, die den Koran über unsere Verfassung stellen, die unsere Jugendlichen daran hindern, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren? Wirft eigentlich irgendjemand von diesen aufgeklärten und toleranten Linken seinen Körper vor ein Mädchen, dem mit Mord gedroht wird, wenn es aus starren patriarchalen Familienverhältnissen ausbrechen will?

Die Ignoranz der Sozialdemokraten in meinem beruflichen Umfeld gegenüber Problemen mit muslimischen Schülern sehe ich rein pragmatisch: Sie wollen wiedergewählt werden und ihre Posten behalten. Deswegen darf es kein Problem geben, für das sie verantwortlich gemacht werden können. Die Ignoranz im privaten Bereich ist dagegen von romantischen Vorstellungen geprägt: Links ist gut, Rechts ist böse. Und wir Linken sind die Retter der Unterdrückten. Hinterfragen ist oft schon zu mühsam. Das Leben soll einfach und schön sein. Beides erhöhte den Druck in mir, über die wirklichen Probleme muslimischer Schüler zu sprechen. Denn für mich gehören sie zu uns, und darum muss sich eine Mehrheitsgesellschaft ihrer Probleme annehmen. Ich bin heute davon überzeugt: Was den betroffenen Kindern und Jugendlichen am meisten schadet, sind falsche Toleranz und Stillschweigetaktik gegenüber dem radikal-konservativen Islam.


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