Читать книгу Bittersüß - davor & danach 2 онлайн | страница 28
Doch Chi kennt keine Gnade oder lässt sich von meiner miesen Laune beeindrucken. Er legt ein Handtuch auf eine der Matten und hilft mir, mich daraufzulegen. Wie ich es hasse, so abhängig von der Hilfe anderer zu sein. Chi erklärt mir alles, was er tut und warum er es tut, doch ich höre gar nicht hin. Ich will nur diese Stunde rumbringen, damit ich wieder nach Hause kann. Diesen Mist lasse ich sowieso nur über mich ergehen, um endlich bei meinen Alten ausziehen zu können. Also tue ich so, als würde ich mitmachen, und drücke mit dem bisschen Kraft, das noch in meinem linken Bein steckt, gegen Chis Hand. Es ist einfach nur erbärmlich. Und es tut höllisch weh. Doch ich sage kein Wort, während wir dieses Theater veranstalten.
Zum dritten Mal diese Woche hänge ich mit den Achseln auf zwei Stahlstangen, ohne die ich wie ein Mehlsack auf den Boden fallen würde. Der Schmerz zieht sich von meinem Bein über meine Brust und sorgt dafür, dass es selbst in meinem Schädel pocht. Der Schweiß läuft mir in die Augen und mir wird schwindelig. Diese schwarzen Flecken tanzen wieder vor meinen Augen. Nicht einmal drei Schritte habe ich auf dem verdammten linken Bein ordentlich hinbekommen. Noch immer kann ich es kaum belasten, humple wie ein einbeiniger Idiot in der Gegend herum und kann nicht anständig auf zwei Beinen laufen. Scheiße! Sogar Kleinkinder laufen besser als ich.
„Das bringt doch nichts!“, stöhne ich erschöpft und angepisst.
Chi sieht mich wieder einmal enttäuscht an. Was will der Kerl bloß von mir?
„Ich weiß, dass es schmerzhaft ist und frustrierend. Aber du musst dir vorstellen, warum du das hier tust“, wendet er ruhig ein, während er mir neben den Bahnen, die ich für die Laufübungen benutzte, folgt. Wobei er eigentlich, wenn man es genau nimmt, bloß neben mir steht, denn ehrlich: Ich komme kein Stück voran.
„Keine Ahnung … Was bringt es, wenn ich in ein paar Monaten ein bisschen weniger humple? Niemanden interessiert das, solange ich so aussehe“, spucke ich ihm hin.
Warum will er das nicht kapieren? Jedes Mal, wenn ich hier bin und gezwungenermaßen in den Spiegel sehe, könnte ich schreien oder kotzen – oder beides. Ich hasse es, wenn mir dieser fremde Mann entgegenblickt, dessen Gesicht von Narben verunstaltet ist, der meine Klamotten trägt und es nicht einmal schafft, gerade zu stehen oder ein paar ordentliche Schritte zu machen. Dieser Kerl kann niemals ich sein. Niemals!