Читать книгу Der schöne Sommer онлайн | страница 4

War einer von ihnen mit von der Partie, konnte man sicher sein, dass noch vor dem Dunkelwerden ein Mädchen wütend wurde oder, wenn sie dümmer war, weinte. Sie trieben genau solche Späße wie Rosa. Immer wollten sie die Mädchen mit in die Wiesen nehmen. Man konnte sich nicht mit ihnen unterhalten, sondern musste gleich auf der Hut sein. Aber schön war, dass dann an manchen Abenden gesungen wurde, und sie sangen gut, vor allem wenn Ferruccio mit der Gitarre kam, ein großer Blonder, der ständig arbeitslos war, aber noch ganz schwarze, rissige Finger hatte von der Kohle. Es schien unmöglich, dass diese groben Hände so geschickt waren, und Ginia, die sie einmal unter der Achsel gespürt hatte, als sie alle gemeinsam von den Hügeln zurückkehrten, achtete darauf, sie nicht anzusehen, während sie spielten. Rosa hatte ihr gesagt, dass sich dieser Ferruccio zwei- oder dreimal nach ihr erkundigt habe, und Ginia hatte geantwortet: »Sag ihm, er soll sich zuerst die Fingernägel sauber machen.« Beim nächsten Mal erwartete sie, dass Ferruccio lachen würde, aber er hatte sie keines Blickes gewürdigt.

Doch dann kam der Tag, an dem Ginia aus dem Schneideratelier trat und sich noch mit beiden Händen den Hut zurechtrückte, als Rosa unvermutet am Haustor auf sie zusprang. »Was ist los?« – »Ich bin aus der Fabrik fortgelaufen.« Gemeinsam gingen sie den Bürgersteig entlang bis zur Straßenbahn, aber Rosa blieb stumm. Ginia war verärgert und wusste nicht, was sie sagen sollte. Erst als sie in der Nähe ihres Hauses aus der Straßenbahn stiegen, murmelte Rosa leise, dass sie Angst habe, schwanger zu sein. Ginia nannte sie ein dummes Ding, und sie stritten sich an der Ecke. Dann ging die Sache vorüber, denn Rosa hatte sich nur vor Schreck in diesem Zustand geglaubt, aber unterdessen war Ginia aufgeregter als sie, weil sie sich vorkam, als habe man sie betrogen und wie ein Kind behandelt, während die anderen sich amüsierten, und noch dazu Rosa, die kein bisschen Ehrgeiz hatte. »Ich bin mehr wert«, sagte Ginia, »mit sechzehn ist es noch zu früh. Selber schuld, wenn sie sich so wegwerfen will.« Das sagte sie, aber sie konnte nicht ohne Demütigung daran zurückdenken, denn die Vorstellung, dass die anderen Mädchen alle schon in den Wiesen gewesen waren, ohne es je zu erwähnen, während ihr, die allein lebte, die Hand eines Mannes noch Herzklopfen verursachte, diese Vorstellung nahm ihr den Atem. »Warum bist du an dem Tag zu mir gekommen, um es mir zu sagen?«, fragte sie Rosa eines Nachmittags, während sie zusammen aus dem Haus gingen. »Wem hätte ich es denn sonst sagen sollen?« – »Warum hast du mir vorher nie was gesagt?« Rosa, die jetzt beruhigt war, lachte. »Wenn man nichts sagt, ist es schöner. Es bringt Unglück, darüber zu reden.« Ginia dachte: »Sie ist ein dummes Ding. Jetzt lacht sie, aber vorher wollte sie sich umbringen. Sie ist noch gar keine Frau, das ist es.« Auch wenn sie allein durch die Straßen ging, dachte sie nun oft, sie seien alle zu jung und man müsste sofort zwanzig sein, um zu wissen, wie man sich verhalten solle.


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