Читать книгу "Issue Does Not Exist"],"errors":{ онлайн | страница 5

Nun sitzt da weltfern und lebensfremd ein Schulmeisterlein in seiner engen Kammer und vertieft sich dumpfen und erschrockenen Sinnes in die frivolen Erinnerungen der Hofdame. Ein goldgieriger Räuber steigt durchs Fenster, aber das Fräulein, fast noch ein Kind, gibt gutlaunig Edleres hin. Der würdige Pater im Beichtstuhl zeigt sich nachsichtig gegen Sünden, an deren Begehung er teilnehmen darf. Auf der Treppe küsst die reizende Marquise ihrem Geliebten das Herz aus dem Leibe, während zehn Stufen höher der arme Gatte nach der Lampe ruft. Mönch und Nonne, Fürst und Lakai, Bauer und Soldat, Kavalier und Bürgerin nehmen teil am übermütigen Tanz der Liebe, ja die Dinge der unbelebten Welt sind ergriffen vom heiteren Taumel, der Himmel wiederhallt vom frohsinnigen Gelächter, und die graziösen Geister der Galanterie werfen jauchzend bunte Tücher über Gräber und Schlachtfelder. Was Gesetze, Philosophen, Zukunft, Religion! Kein Schauer der Ewigkeit für diese lächelnde Bacchantin und ihre Liebeskünste.

Es sind ja längstvergangene Zeiten, dachte schliesslich Philipp Unruh furchtsam. Das ist damals so gewesen, durfte damals so sein, denn es war eine Zeit der Barbarei, eine wilde, sittenlose Zeit. Heute ist die Welt still geworden; nichts ist mehr zu erblicken von solch übertriebenem Abenteuerzeug. Ein jeder Mann geht wacker dem Geschäfte nach, ein jedes Weib wohnt züchtig in seinem Hause, und es regiert die Ordnung. Törichte Leidenschaften der Vergangenheit mit eurem Überschwang und eurer Gefährlichkeit, dachte der Lehrer mitleidig und war zufrieden damit, einem besseren Jahrhundert anzugehören.

Daneben war aber etwas Unbestimmtes und Hinterlistiges, das ihn quälte. Bei all dem Herumdenken suchte er sich heimlich zu beschwindeln, und das wusste er. Exzellenz Kammerherr hatte sich da eine teuflische Sache ausgesucht für seine lahme Feder. Mit böser Zähigkeit kamen und gingen Bilder, und Philipp Unruh schaute sie an mit wildfremden Gefühlen. Er, der alle Dinge über sich ergehen und herabsinken liess wie Schnee, fühlte plötzlich etwas wie Lebenslast und -besinnung.


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