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Justine
Erotische Bibliothek
Band 18
Marquis de Sade
Justine
oder die Nachteile der Tugend
Erstmals erschienen 1791 unter dem Titel
Justine ou les Malheurs de la vertu
Aus dem Französischen von Martin Isenbiel 1906
© Lunata Berlin 2019
Inhalt
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Einleitung
Es wäre die Hauptaufgabe der Philosophie, die Mittel aufzudecken, deren sich das Schicksal zur Erreichung seiner Zwecke bedient. Dann müßte sie diesem unglückseligen zweifüßigen Wesen Verhaltungsmaßregeln für seinen dornenvollen Lebensweg aufzeichnen, damit es nicht von den bizarren Launen dieses Schicksals – das man bald Bestimmung, bald Gott oder Vorsehung, dann wieder Zufall oder Vorausbestimmung genannt hat – abhängig sei.
So sehr wir auch durchtränkt sind von einer unnützen, lächerlichen und abergläubischen Ehrfurcht für unsere unsinnigen gesellschaftlichen Gebräuche, wird es doch vorkommen, daß Leute, die entweder grundsätzlich oder aus Neigung oder aus Temperament lasterhaft sind, glauben, daß es besser ist, sich dem Laster hinzugeben, als sich ihm zu widersetzen: Denn wie oft sehen sie nicht, daß Bösewichte für ihre Missetaten nur süßen Lohn ernten?
Werden sie nicht mit einiger Berechtigung sagen, daß die Tugend, so schön sie sein mag, der schlechteste Teil ist, denn man ergreifen kann, wenn sie zu schwach ist, um gegen das Laster anzukämpfen und daß in einem so verderbtem Zeitalter, wie das unsere ist, das Beste darin besteht, so wie die Anderen zu handeln? Bei mehr philosophischer Betrachtung könnten sie auch mit dem Engel Zesrad de Zadig sagen, daß es nichts Böses gibt, aus dem nicht Gutes entstünde und daß sie sich demnach dem Bösen so viel hingeben könnten, wie sie wollten, da das in Wirklichkeit nur eine Form ist, Gutes zu tun? Werden sie nicht hinzufügen, daß, wenn die Tugend vom Unglück verfolgt wird, das Laster gedeiht und beides in den Absichten der Natur liegt, es unendlich besser ist, mit den Bösewichtern zu gehen, die begünstigt sind, als mit den Tugendhaften, die zugrunde gehen.